Das Landgericht (LG) Berlin hat jetzt entschieden: Mieter können vom Vermieter unter Berufung auf ihr hohes Lebensalter und ihre langjährige und tiefe Verwurzelung am Ort der Mietsache die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.
Mieter und Vermieter stritten darüber, ob die 89jährige beklagte Mieterin die 1997 von den Rechtsvorgängern der klagenden Vermieterin gemietete Wohnung räumen musste. Die Klägerin hatte bereits mehrfach das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt. Die Beklagte und ihr mittlerweile verstorbener Ehemann widersprachen den Kündigungen jeweils. Sie verwiesen auf ihr hohes Alter, ihren schlechten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre begrenzten Mittel, sich Ersatzwohnraum zu beschaffen.
Das Amtsgericht (AG) hatte die Räumungsklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte zunächst keinen Erfolg. Denn das LG Berlin meinte, der Beklagten stehe allein aufgrund ihres hohen Lebensalters ein Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses zu.
Das hatte der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch anders gesehen: Allein das hohe Alter eines Mieters ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen stellten für Mieter noch keine Härte dar. Zudem sei eine „tiefe Verwurzelung“ am Ort der Mietwohnung von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters abhängig.
Die Sache ging also zurück zum LG. Dieses wies die Berufung der Klägerin jetzt erneut zurück. Es sei unerheblich, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich derartig erheblich sind, wie vom AG angenommen. Denn Mieter könnten sich im Einzelfall auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen berechtigt auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen, zum Beispiel, wenn sie sich zum Zeitpunkt des Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter befänden und zudem wegen eines langjährigen Mietverhältnisses tief am Ort der Mietsache verwurzelt seien.
Diese Voraussetzungen hat das LG nach erneuter Tatsachenfeststellung bejaht. Die Folgen des Wohnungsverlustes seien für die Beklagte so gravierend, dass sie auf eine Verletzung ihrer grundgesetzlich garantierten Menschenwürde hinausliefen.
Die Interessen der Vermieterin müssten dahinter zurückstehen. Anderes könne nur gelten, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestands des Mietverhältnisses geltend mache, die zumindest gleichrangig mit den Interessen des betagten und an seinem Wohnort tief verwurzelten Mieters seien. Ein solches hohes Erlangungsinteresse konnte die Klägerin aber nicht geltend machen. Denn die von ihr beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung war nur auf bloßen Komfortzuwachs gerichtet und darauf, unerhebliche wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
Quelle | LG Berlin, Urteil vom 25.5.2021, 67 S 345/18, PM 24/21 vom 27.5.2021