Das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen hat den Antrag eines Hundebesitzers abgelehnt, mit dem dieser sich gegen die von einem Landkreis verfügte Anordnung eines Leinenzwangs gewendet hatte.
Im Mai 2020 führte der Bruder des Antragstellers dessen neunjährigen Schäferhund unangeleint spazieren. Dabei lief der Hund einer zufällig vorbeifahrenden Radfahrerin hinterher und biss ihr in die Wade. Daraufhin verfügte der Landkreis gegenüber dem Antragsteller als Halter des Hundes, dass dieser außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke künftig angeleint zu führen sei, wobei die Leine nicht länger als 1,5 m sein dürfte, ein Halsband zu benutzen sei und weder Brustgeschirr noch Flexi- oder Schleppleine erlaubt seien. Ferner dürfe der Hund nur von erwachsenen Personen geführt werden, die über die o.a. Vorgaben in Kenntnis gesetzt seien.
Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben und gleichzeitig um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Im Wesentlichen ging es ihm darum, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten seines Hundes gehandelt habe. Dieser sei angeleint gewesen und habe die Wade der Radfahrerin, die sehr schnell und mit einem lauten E-Bike an dem Hund vorbeigefahren sei, auch nur gezwickt. Dieser Argumentation ist das Gericht nicht gefolgt.
Es habe nicht lediglich ein „Zwicken“ vorgelegen. Beweisfotos zeigten eine Bisswunde, die nach Aktenlage notfallmedizinisch habe behandelt werden müssen. Auch, dass der Hund „nur“ reagiert habe, sei rechtlich unbeachtlich. Ein Leinenzwang könne bei hundetypischen Reaktionen auf das Verhalten anderer Personen oder Tiere angeordnet werden. Auch hundetypisches und artgerechtes Verhalten eines Hundes hier ein Jagdverhalten könne eine konkrete Gefahr für andere verursachen.
Das Gericht hob hervor: Von Dritten werde kein hundegerechtes Verhalten erwartet, sodass der Halter in der Pflicht stehe, diese vor den Reaktionen seines Tieres zu bewahren. Die durch einen Hund verursachten Verletzungen seien dem Tier somit auch dann zuzurechnen, wenn sie (mit) auf einem Verhalten anderer Personen beruhten.
Der o. g. Vorfall rechtfertige die Annahme, dass der Hund auch in Zukunft Menschen anfallen und beißen werde, wenn er erschrickt oder sein Jagdtrieb geweckt ist. An dieser Prognose ändere die Behauptung des Antragstellers nichts, sein Hund habe sich weder vor noch nach dem Vorfall aggressiv gegenüber anderen Tieren oder Menschen gezeigt.
Für die Anordnung eines Leinenzwangs, wie hier, genüge grundsätzlich schon ein einmaliges Beißen. Die Feststellung, ob der Hund tatsächlich „gefährlich“ im Sinne des Niedersächsischen Hundegesetzes sei, was weitere Maßnahmen rechtfertige (Erlaubnisvorbehalt für das Halten, Wesenstest), obliege der weiteren Prüfung in einem besonderen Verfahren, das der Landkreis auch eingeleitet hat.
Die Entscheidung ist rechtskräftig, die Klage wurde mittlerweile zurückgenommen.
Quelle | VG Göttingen, Beschluss vom 3.3.2021, 1 B 3/21, PM vom 29.3.2021