Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Verbraucher sind über das ihnen zustehende Widerrufsrecht zu informieren, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts abschließen, für den eine passende Laufschiene angefertigt und in das Treppenhaus des Kunden eingepasst werden muss.
Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale. Die Beklagte vertreibt Kurventreppenlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven angepasst werden. Die Beklagte teilt Verbrauchern bezüglich der Kurventreppenlifte mit, dass außer für ein bestimmtes Modell kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Widerrufsrecht bestehe und sieht in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Sie nahm die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.
Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch zu, weil im Streitfall kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe.
Der BGH hat auf die Revision der Klägerin das Urteil des OLG aufgehoben und die Beklagte dem Klageantrag entsprechend zur Unterlassung verurteilt. Die Werbung der Beklagten mit der Angabe, im Fall eines Kurventreppenlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, begründet eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die Marktverhaltensregelungen. Sie musste über das bestehende Widerrufsrecht informieren.
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist im Streitfall entgegen der Ansicht des OLG nicht ausgeschlossen. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn es sich vorliegend um einen Kaufvertrag oder einen Werklieferungsvertrag gehandelt hätte, nicht jedoch, wenn es sich um einen Dienstvertrag oder jedenfalls im Regelfall Werkvertrag gehandelt hat. Die Werbung im Streitfall ist auf den Abschluss eines Werkvertrags gerichtet. Folglich habe ein Widerrufsrecht bestanden.
Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits kommt es darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags. Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.
Quelle | BGH, Urteil vom 20.10.2021, I ZR 96/20, PM 191/2021